Die Corona-App ist da

Die Corona-App ist da

Vorbemerkung: Bis heute (19.9.2020) ist mir noch kein Fall in der Praxis begegnet, bei dem die Corona-App Alarm geschlagen habe bzw. einen kritischen Kontakt angezeigt hat.

 

Nun ist sie also da, und kann in entsprechenden Stores heruntergeladen werden. Grund für mich, diese App einmal kritisch zu bewerten.

Vorab: Ich werde nicht von der App abraten, denn es ist allein Ihre Entscheidung, ob sie diese App nutzen wollen. Ich persönlich habe mich noch nicht entschieden, ob ich sie nutzen möchte oder nicht. Ich möchte hier lediglich meine persönliche Meinung zu dieser App mitteilen. Vielleicht hilft Ihnen das, sich für oder gegen die App zu entscheiden.

Ich beziehe mich in meinen Kommentaren allein auf das, was die Bundesregierung dazu veröffentlicht hat.

Das wichtigste Thema schein zunächst einmal die Datensicherheit zu sein. Obwohl wir heute ja per WhatsApp, Facebook oder Twitter pausenlos unsere Daten hemmungslos in die Welt hinaus posaunen, und damit nicht nur für Werbezwecke, sondern auch für Geheimdienste wichtige Informationen gedankenlos preisgeben, dürfte es doch noch Menschen geben, denen die Sicherheit der eigenen Daten wichtig erscheint.

Soweit ich das als Nicht-Informatiker beurteilen kann, scheint es sich hier aber um eine App mit eher hoher Datensicherheit zu sein – im Gegensatz zu einigen Corona-Apps in anderen Ländern. Ich persönlich würde mir nach den Angaben der Bundesregierung eher keine Sorgen machen, und auch der Chaos Computer Club hat ja in seiner ersten Stellungnahme diesbezüglich nichts angemerkt.

Was aber macht die App dann tatsächlich?

Sie verbindet sich quasi im Vorbeigehen mit anderen Handys über die Bluetooth-Schnittstelle. Es werden kurze verschlüsselte Daten ausgetauscht, und beide Handys wissen nun, dass sie Kontakt miteinander hatten. Angeblich soll auch die Dauer des Kontakts sowie die Entfernung zum anderen Kontakt aufgezeichnet werden. Hier allerdings gibt es Fachleute, die das anders sehen, denn gerade die Entfernungsmessung bei Bluetooth soll eher fehlerhaft sein, also oft falsche Ergebnisse anzeigen. Das ist aber nicht unerheblich, da es wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung hat, ob Sie selbst nun gefährdet sind oder nicht.

Fazit: Die App könnte also eine Situation dramatischer darstellen, als sie ist. Wie genau die Daten sind, ist leider unbekannt.

Was passiert, wenn sie selbst positiv getestet wurden?

Sie können dann mit Hilfe eines Codes, den Sie sich ggf. beim Gesundheitsamt oder Labor besorgen müssen, Ihren Status „positiv“ in die App eingeben. Das führt dann dazu, dass alle Kontakte, die ihr Gerät aufgezeichnet hat, auf deren Handy eine entsprechende Warnmeldung bekommen.

Dabei gibt es zwei Kriterien: niedriges Risiko und hohes Risiko

Ein niedriges Risiko bedeutet, dass Sie keinen Kontakt zu sicher positiven Menschen hatten oder der Kontakt zu kurz war. Aber was bedeutet „zu kurz“ genau? Das wird leider nicht gut erklärt. Andererseits dürfte angesichts der niedrigen Zahlen in Deutschland (aktuell deutschlandweit vermutlich nicht mehr als 2.000 infektionsfähige Menschen) dies der Normalzustand sein – und dafür brauche ich keine App, denn das kann man sehr leicht aus den Daten des RKI herauslesen.

Ein hohes Risiko bedeutet nach Angaben der Bundesregierung, dass Sie „innerhalb der vergangenen 14 Tage Begegnungen mit mindestens einer Corona-positiv getesteten Person“ hatten.

Da hier weitere Angaben fehlen, scheint mir die App eher dazu geeignet zu sein, Panik zu verbreiten, was ich persönlich nicht gut finde. Denn laut Studie von Streeck in Gangelt/Kreis Heinsberg ist das Risiko in einem Haushalt mit einem sicher positiven Menschen für die anderen Bewohner, sich ebenfalls anzustecken, schon kleiner als 50%, in einem Vier-Personen-Haushalt sogar unter 20%. Das ist für mich eher kein hohes Risiko.

Die App sagt leider auch nicht, wo sie sich angesteckt haben könnten. Sind Sie der Person im Freien begegnet, beträgt das Risiko bei einer zufälligen kurzen Begegnung (Mensch kommt Ihnen auf der Straße entgegen) nach aktuellen Studien weit unter 1%, vermutlich sogar unter 0,01%, denn das Infektionsrisiko in der freien Natur ist extrem gering, wenn sie sich nicht intensiv umarmt haben oder gar gegenseitig angehustet haben.

Ein anderes Problem ist, dass die App (wie übrigens auch Gesundheitsämter) nicht unterscheidet zwischen erkrankten Menschen und symptomlos infizierten Menschen. Beide unterscheiden sich nämlich nach Studien deutlich in ihrem Ansteckungspotenzial.

Eine Infektion bedeutet ja noch lange nicht, dass man auch erkrankt. Man vermutet, dass die überwiegende Mehrheit der Infizierten gar nicht krank wird. Wird man jedoch krank, bekommt man Halsschmerzen, Husten, oder gar Fieber, beginnt die Fähigkeit, andere zu infizieren etwa 24 Stunden vor den ersten Beschwerden. Hier sehe ich vielleicht einen Sinn in der App, weil dadurch alle gewarnt werden könnten, die Ihnen in den 24 Stunden vor Beginn der Beschwerden bis zum Testergebnis begegnet sind. Aber die App warnt ja nicht nur für 24 Stunden, sondern für ganze 14 Tage rückwirkend.

Nun sollte es in der aktuellen Situation so sein, dass Sie als verantwortungsbewusster Mensch bei Beschwerden zum Arzt gehen, der Sie dann krankschreibt und Ihnen empfiehlt, bis zum Test möglichst Kontakte zu meiden und zu Hause zu bleiben. Ist der Test negativ, heißt das leider gar nichts, denn Sie könnten trotzdem positiv sein, falsch negative Ergebnisse gibt es bei den Tests leider genauso wie falsch positive. Bei einem (falsch) negativen können Sie aber über die App niemanden warnen.

Ist der Test positiv, kommen Sie danach in verordnete Quarantäne (zwar medizinisch nicht immer sinnvoll und logisch, aber von den Gesundheitsämtern so gehandhabt), weswegen Sie danach auch niemanden mehr warnen müssen, da sie nicht mehr aus dem Haus dürfen. Hatten Sie Beschwerden, hätten sie theoretisch schon in den 24-36 Stunden vor Beginn der Beschwerden andere anstecken. Hier ist, wie gesagt, eine Warnung an andere sinnvoll.

Allerdings warnt die App alle Kontakte der letzten 14 Tage, ist also sehr ungenau, darum sehe ich rein statistisch mehr Schaden als Nutzen.

Sind sie jedoch gar nicht krank geworden, hatten also keinerlei Beschwerden, wurden aber z. B. als Angehöriger positiv getestet, ist bis heute nicht einmal klar, ob Sie überhaupt andere anstecken können, denn es mehren sich die Hinweise in Studien, dass eine Weitergabe der Infektion ohne Erkrankung gar nicht möglich ist. Klar, Sie haben die Viren bekommen, sind also infiziert. Aber ihr Immunsystem in den Schleimhäuten ist möglicherweise so gut, dass die Viren schon vernichtet werden, bevor sie in die Zellen eindringen können. Dann wäre ein Test bei Ihnen zwar vielleicht positiv, aber Sie können niemanden anstecken, weil bei Ihnen keine Virusvermehrung stattfindet. In diesem Fall warnt die App also völlig unnötig andere Menschen.

Welche Situationen sind möglich, wenn die App Sie warnt?

Die App warnt sie dann, wenn irgendein Kontakt der letzten 14 Tage seinen Status als „positiv“ eingegeben hat.

Es könnte sich um einen Menschen handeln, der auch erkrankte und damit andere anstecken konnte.

Oder es handelt sich um einen Menschen, der nicht erkrankte, aber aus welchen Gründen auch immer (z. B. in Folge einer Reihentestung im Hochhaus oder anderswo) Positiv gertestet wurde. Wenn er keine Beschwerden hatte, konnte er auch niemanden anstecken.

Sie wissen nicht, wann die Infektion oder Besiedlung des Kontaktes erfolgte. Es könnte sich um eine alte Infektion oder Besiedlung handeln, die zwar noch einen positiven Test zur Folge hat, aber für die Allgemeinheit nicht mehr gefährlich ist. Es könnte aber auch eine frische Infektion mit Beschwerden handeln, bei der Ansteckung möglich ist.

All dies sagt Ihnen die App nicht.

Wie sollte man sich verhalten, wenn die App warnt?

Das hängt ein wenig davon ab, wie besorgt Sie sind. Denn erstens wissen Sie gar nicht, ob sie infiziert sind, und die Mehrheit aller Infizierten wird nicht krank. Es besteht also auch dann noch eine hohe Chance, dass für Sie nichts passiert.

Wenn Sie also sehr besorgt sind, gehen Sie zu Ihrem Hausarzt, der dann entscheidet, ob bei Ihnen ein Test sinnvoll ist und ihn dann auch durchführt.

Wenn Sie weniger besorgt sind, hängt es davon ab, ob die App Ihnen anzeigt, wann der Kontakt stattgefunden hat – ich weiß leider bisher nicht, ob die App das macht. Ist der Kontakt länger als eine Woche her und Sie haben keine Beschwerden, dürfte mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nichts passiert sein. Wenn der Kontakt ganz frisch ist, sollte man sich überlegen, ob man nicht ein paar Tage zu Hause bleibt oder allenfalls an die frische Luft, aber ansonsten Kontakte meidet. Treten weiterhin keine Beschwerden auf, dann besteht keine Gefahr. Aber sobald Beschwerden auftreten, bitte sofort zum Arzt und zum Test.


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